Der Wortlaut des Ersten Absatzes des Paragraphs 58 der Straßenverkehrsordnung
(§ 58 StVo) beinhaltet folgendes:
„Unbeschadet der Bestimmungen des § 5. Abs. 1 darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5b sinngemäß anzuwenden“.
Paragraph Fünf b Absatz Eins der Straßenverkehrsordnung (§ 5b Abs. 1 StVo) besagt:
„Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, die sich offenbar in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden (§ 5 Abs. 1), oder bei denen der Alkoholgehalt des Blutes 0,5 g/l (0,5 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,25 mg/l oder mehr beträgt, an der Lenkung oder Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern. Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges, Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges, Anlegen von technischen Sperren und dergleichen, anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn bei der Person, gegen die sie angewendet worden sind, der durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigte Zustand nicht mehr gegeben und ihr auch nicht ein zum Lenken des betreffenden Fahrzeuges allenfalls nötiger Führerschein nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften abgenommen ist oder wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken“.
Der psychoaktive Wirkstoff der Pflanze Cannabis (Delta-9-THC), der in der Medizin hohen Stellenwert hat, unterliegt den Suchtmittelbestimmungen. Aus dem Grund ist die Frage der Fahrtauglichkeit mit doppelter Vorsicht zu beachten. Einerseits muss die mögliche Beeinträchtigung durch die psychoaktive Substanz (§ 14 (4) FSG-GV: „Personen, die aus medizinischen Gründen Sucht- oder Arzneimittel erhalten, die geeignet sind, die Fahrtauglichkeit zu beeinträchtigen, darf nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme eine Lenkberechtigung erteilt oder belassen werden“.) beachtet werden und andererseits bzw. zusätzlich darf man die Bezeichnung „Suchtmittel“ als solche nicht unterschätzen. Ein Suchtmittel wird schon per definitionem gesellschaftlich stigmatisiert, eben auch seitens der Exekutive, welche die Einnahme der cannabinoidhaltigen Präparate vor allem im Straßenverkehr in vielen Fällen dem illegalen Drogenkonsum gleichsetzen und somit automatisch von der Fahruntüchtigkeit einer Person ausgehen. Führerscheinentzug sowie langwierige Gerichtstermine sind die Folge.
Bei der Einnahme von Beruhigungsmitteln, Antidepressiva oder Opioiden wird die Frage der Fahrtüchtigkeit allerdings nicht so in den Vordergrund gestellt bzw. exekutiert, wie bei der Einnahme der cannabinoidhaltigen Medikamente. Bereits kleine Menge von THC im Urin bzw. im Blutkreislauf bringt den judikativen Stein ins Rollen. Dabei ist die Menge bzw. die Grenze der Cannabinoide im Blut beim Bedienen eines Fahrzeuges gesetzlich gar nicht festgelegt, wie das bei Alkohol der Fall ist, wie man dies § 5b Abs. 1 StVo entnehmen kann. Zu berücksichtigen ist auch, dass gerade die Substanz bzw. das Monocannabinoid THC sich über Wochen nach der letzten Einnahme im Blutkreislauf nachweisen lässt. Auch dieser Punkt wäre bei Fragestellung der situativen Fahrtauglichkeit zu beachten.
Aus den praktischen, juristischen Erfahrungen hat sich herauskristallisiert, dass die Fahrtauglichkeit erst acht Stunden nach der letzten Einnahme eines THC-haltigen Präparates gewährleistet werden kann. Die Einhaltung der festgelegten Dosierung der Präparate spielt in juristischen Situationen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Eine Stellungnahme durch beeidigte Fachärzt*innen für Neurologie/Psychiatrie im Sinne der Fahrtauglichkeit ist bei der regelmäßigen Einnahme der Medikation unabdingbar.
Damit eine adäquate Patient*innen Versorgung gewährleistet werden kann, muss der Grenzwert der Monosubstanz THC im Blut im Sinne der Fahrtüchtigkeit von den Toxikolog*innen sowie Amtsärzt*innen klar definiert werden. Selbstverständlich ist die Sicherheit auf den Straßen das oberste Gebot. Die Patient*innen sollen allerdings nicht als Drogenkonsumenten auf der Straße gelten oder als solche geahndet werden.
Da es nach wie vor Patient*innen gibt, die sich in eine Eigenbehandlung mit illegalem pflanzlichem Cannabis begeben und letzten Endes in Schwierigkeiten mit der Exekutive geraten und ihren Führerschein verlieren, hat Rechtsanwalt Dr. Martin Feigl einige Zeilen aus seiner praktischen Arbeit als Hilfestellung und Aufklärung zu diesem Thema zusammengefasst. Das PDF-Dokument können Sie hier entnehmen.
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS). Allgemeine Vorschriften über den Fahrzeugverkehr. Straßenverkehrsordnung 1960 § 58; (cited 07.07.2020). https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011336&Artikel=&Paragraf=58&Anlage=&Uebergangsrecht=
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS). Zwangsmaßnahmen bei Alkoholisierung. Straßenverkehrsordnung 1960 § 5b; (cited 07.07.2020). https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011336&FassungVom=2016-02-12&Artikel=&Paragraf=5b&Anlage=&Uebergangsrecht=
Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS). Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung. Alkohol, Sucht- und Arzneimittel §14 (4); (cited 09.07.2020). https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/ii/1997/322/P14/NOR40037068
Kurt Blaas. Wie viele Ärzte und Ärztinnen sind es in Wien, wie viele in Gesamtösterreich. In: Kurt Blaas (Hg.). „Cannabismedizin. Ein praktischer Ratgeber für Patienten und Patientinnen“, 2016, S. 15.
Für den Inhalt verantwortlich: Mag.a. Aušra Blaas