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Die Cannabismedizin in Österreich beschränkt sich auf die Verschreibung von cannabinoidhaltigen Präparaten, die Cannabisblüte ist hier nicht zugelassen. Die in Österreich verfügbaren Cannabinoid-haltigen Präparate sind rezeptpflichtig. Alle Medikamente außer Cannabidiol (CBD) und Canemes unterliegen Suchtmittelbestimmungen und sind somit auf ein Suchtmittelrezept erhältlich. Die Rezepthandhabung gestaltet sich allerdings äußerst komplex. Keines der verfügbaren Präparate befindet sich in der sogenannten Grünen Box des Medikamenten Erstattungskodexes, was bedeutet, dass das Medikament nicht automatisch auf Rezeptgebühr erhältlich ist.
Um die Struktur der Kostenübernahme durch die Sozialversicherungsträger zu verdeutlichen, ist es wichtig zu verstehen, wie das System des Erstattungskodexes aufgebaut ist und wer dafür zuständig ist.


Die Medikamentenkosten können durch den zuständigen Sozialversicherungsträger (Krankenkasse) nur dann übernommen werden, wenn das Medikament im Erstattungskodex (EKO) aufgelistet ist.  Ausnahmen dieser Regelung sind allerdings in medizinisch begründeten Fällen möglich. Der Erstattungskodex gliedert sich in drei Hauptbereiche:

  • Grüne Box: Frei verschreibbare und erstattungsfähige Medikamente („auf Rezeptgebühr“).

  • Gelbe Box, die wiederum in zwei weitere Bereiche geteilt ist: Dunkelgelb (RE1) und Hellgelb (RE2).
    Die Kosten für die Medikamente aus dem RE1 Bereich werden durch die Sozialversicherungsträger nur nach Genehmigung der Rezepturen durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst übernommen.
    Um die Kosten für die Medikamente aus dem RE2 Bereich durch die zuständige Krankenkasse erstatten zu lassen, bedarf es keine vorab Bewilligung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst – hier wird eine Kontrolle der Einhaltung der induzierten Verschreibung im Nachhinein akzeptiert.  

  • Rote Box: Beinhaltet Medikamente, die befristet in den EKO aufgenommen worden sind, während die langfristige Aufnahme noch geprüft wird. In dieser Zeit werden die Kosten für die Medikamente aus dem roten Bereich nur nach Bewilligung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst der jeweiligen Krankenkasse übernommen.

Desweiteren gibt es eine No Box, die ebenfalls in zwei Bereiche gegliedert ist:
Negativliste (Aufnahme der Präparate in den EKO sowie Kostenerstattung nicht möglich) und der andere No Box Bereich beinhaltet Medikamente, die in den EKO zwar nicht aufgenommen worden sind, dessen Kostenerstattung durch den Sozialversicherungsträger in bestimmten begründeten Fällen aber möglich ist.

Die Kriterien der Aufnahme der Medikamente in den EKO liegen in pharmakologischen, medizinisch-therapeutischen und gesundheitsökonomischen Bereichen. Das Medikament wird auf Kosten-Nutzen-Faktor geprüft. In erster Linie ist hierfür die Heilmittel-Evaluierungskommission (HEK) zuständig. Die endgültige Entscheidung, ob ein Medikament in den EKO aufgenommen wird, liegt aber bei dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Bei Cannabinoidmedizin und EKO verhält es sich folgendermaßen:

  • Der Wirkstoff Dronabinol ist dem RE1 Bereich zugeordnet und wird als magistrale Zubereitung auf Suchtmittelrezept verschrieben. Für die Kostenübernahme des Präparates durch die Krankenkasse bedarf es eine Vorabbewilligung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst. Hierfür ist eine nachvollziehbare medizinische Begründung unabdingbar. In den meisten Fällen wird das Präparat für die Kostenübernahme bewilligt, wenn die anderen (kostengünstigeren) Medikamente aus dem Grünen und Gelben Bereich des EKO zur Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes nachweislich nicht beigetragen haben, diese nicht vertragen wurden oder eine Kontraindikation bilden.

  • Der Oromucosale Spray Sativex wurde ebenfalls in den RE1 Bereich der Gelben Box aufgenommen. Die Kostenübernahme erfolgt bei mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund der Multipler Sklerose als add-on-Therapie bei Erwachsenen, die mit mindestens zwei verschiedenen anderen, antispastischen Präparaten austherapiert sind.

  • Epidyolex (CBD Präparat) ist ebenfalls dem RE1 Bereich zugeordnet und wird bei Patient*nnen ab 2 Jahren in Kombination mit Clobazam zur adjuvanten Therapie von Krampfanfällen bei Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) oder Dravet-Syndrom (DS) eingesetzt.

  • Das Präparat Canemes ist im EKO zwar nicht gelistet, die Kosten werden allerdings durch die Bewilligung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst der Krankenkasse im Falle der fehlenden Therapiealternativen durchaus übernommen.

  • Cannabidiol (CBD) ist im EKO ebenfalls nicht gelistet. Allerdings werden die Kosten von den Krankenkassen in äußersten Ausnahmefällen mit Vorabbewilligung übernommen. Die meisten Kostenerstattungen liegen bei Tumorerkrankungen, cerebralen Entwicklungsstörungen und kindlichen Epilepsien vor. Bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, wie z.B. bei Pankreas- oder Prostatakarzinom mit weitreichenden Metastasierungen werden die Kosten für Kombinationspräparat (CBD und THC) von der Krankenkasse meistens ebenfalls übernommen.

Für die erstmalige Bewilligung der Rezeptur wird eine persönliche Vorsprache beim chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Sozialversicherungsträgers (der Krankenkasse) empfohlen.

Die komplizierte Gestaltung der Rezepthandhabung entfällt bei Verschreibung der privaten Rezeptur. Ein privates Rezept kann problemlos in jeder Apotheke eingelöst werden.

 

Information, was Sie bei der Mitnahme Ihrer verschriebenen suchtmittelhaltigen Medikamente ins Ausland beachten müssen, können Sie nachstehendem Link entnehmen (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz).

https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/Suchtmittel-NPS-Drogenausgangsstoffe/Suchtmittelhaltige-Arzneimittel-im-Reiseverkehr/Mitnahme-von-Medikamenten-ins-Ausland.html

 

Für die Patient*innen, die sich für die Selbstmedikation mit Heilpflanze Cannabis entschieden haben, hat Rechtsanwalt Dr. Martin Feigl einige wichtige Informationen zu der Rechtslage zur Verfügung gestellt. Die PDF-Datei können Sie hier entnehmen.

Österreichische Sozialversicherung. Infotool zum Erstattungskodex; (cited 16.07.2020).
https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.844494&portal=svportal

Änderungen im Erstattungskodex (EKO) ab Oktober 2019. Informationsstand Oktober 2019. N02 Analgetika. N02BG10 Cannabinoide; (cited 16.07.2020). https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.730683&version=1578031552

Syndros (dronabinol) oral solution, Cll, 5mg/mL; (cited 16.07.2020).
https://syndros.com/

Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs. Erstattung von Arzneimitteln; (cited 16.07.2020).
https://www.pharmig.at/arzneimittel/erstattung-von-arzneimitteln/

Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS). Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Geschäftsordnung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gemäß § 9 Abs. 2 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex; (cited 17.07.2020).
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Avsv/AVSV_2004_0066/AVSV_2004_0066.pdfsig

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Mitnahme von suchtmittelhaltigen Arzneimitteln ins Ausland; (cited 29.01.2021)

https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/Suchtmittel-NPS-Drogenausgangsstoffe/Suchtmittelhaltige-Arzneimittel-im-Reiseverkehr/Mitnahme-von-Medikamenten-ins-Ausland.html

Kurt Blaas. Verschreibungsmöglichkeiten und Kostenerstattung in Österreich. In: Kirsten R. Müller-Vahl, Franjo Grotenhermen. „Cannabis und Cannabinoide in der Medizin“. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2020. S. 202-206. 

 

Für den Inhalt verantwortlich: Mag.a. Aušra Blaas

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